Wie Zellen den Müll rausbringen

2022-08-26 18:11:58 By : Mr. Frank Wang

Jeder Haushalt hat Mülleimer. Und auch in einer biologischen Zelle wird regelmäßig aufgeräumt. Hier wird der „Abfall“ in eine Membran eingekapselt und später abgebaut. Wie dieser zelluläre Müllsack genau entsteht, war lange Zeit unklar. Forscher aus Wien haben nun neue Erkenntnisse zur Müllentsorgung in Zellen gewonnen.

Wien/Österreich – Sich selbst essen, das klingt wenig vorteilhaft. Etwa so lässt sich aber das griechische Wort Autophagie übersetzen. Und Autophagie ist tatsächlich ein überlebenswichtiger Prozess in Zellen: Es bedeutet, alte Zellbestandteile zu isolieren und zu recyclen, etwa wenn die Zelle unter Stress steht oder Nährstoffe knapp sind.

Bei der Autophagie werden schadhafte Proteine oder Organellen in einer Doppelmembran, dem Autophagosom, eingekapselt und später abgebaut. Autophagosomen entstehen zunächst als kelchförmige Membranen in der Zelle. Anschließend wachsen sie und umschließen Schritt für Schritt das abzubauende Material, wobei viele verschiedene Proteine mitwirken. „Wir wissen mittlerweile sehr gut, welche einzelnen Faktoren an der Bildung des Autophagosoms beteiligt sind“, sagt Gruppenleiter Sascha Martens von den Max Perutz Labs, einem Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. „Wie sie allerdings zusammenkommen, um die Neubildung der Membranen zu starten, ist unklar.“

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Einer der Faktoren für die Bildung der zellulären Müllsäcke ist Atg9. Das Protein kommt in der Zelle in winzigen Bläschen vor, so genannten Vesikeln. Die Wissenschaftler haben nun erstmals gezeigt, dass diese Atg9-Vesikel eine Plattform bilden, auf dem die Autophagie-Maschinerie zusammenkommt, um die Bildung der Autophagosomen-Membran zu starten. „Atg9-Vesikel sind in der Zelle ständig vorhanden, dadurch können sie rasch abgerufen werden, sodass sich Autophagosomen bei Bedarf schnell bilden können“, erläutert Martens.

Atg9-Vesikel tragen allerdings nur einen geringen Teil zu den Lipiden des Autophagosoms bei. Woher kommt also das Material für die Membran? Auch auf diese Frage fanden die Forscher eine mögliche Antwort. „Wir konnten zeigen, dass Atg9-Vesikel Lipidtransferproteine rekrutieren“, sagt Martens. Diese Proteine bilden eine Art Brücke und verbinden das Autophagosom mit einem anderen Organell, dem Endoplasmatischen Retikulum (ER). Dadurch können Lipide aus dem ER in das Autophagosom transferiert werden, wodurch es wächst.

In einem Video veranschaulicht Verena Baumann, eine der Autorinnen, die Studienergebnisse: Zellen kapseln Stoffe in Bläschen ein, da spezielle chemische Bedingungen herrschen müssen, um sie abbauen zu können. Auch kann zelluläres Material so leichter transportiert werden. Autophagosomen bestehen daher aus einer Doppelmembran, die sich aus Lipiden zusammensetzt. Diese fettige Hülle erzeugt wasserdichte Pakete, in denen die Stoffe von der wässrigen Umgebung der Zelle abgetrennt und für das Recycling markiert werden.

Um ein komplexes Gebilde wie die Zelle zu verstehen, hilft es manchmal, sie in ihre Einzelteile zu zerlegen und diese neu zusammenzubauen. Bei der Bildung von Autophagosomen sind zahlreiche Proteine beteiligt. Indem die Wissenschaftler 21 dieser Komponenten isoliert haben, konnten sie große Teile der Autophagie-Maschine im Labor nachbauen – ein mühsamer Prozess, für den Martens und sein Team fast zehn Jahre gebraucht haben.

„Durch den Ansatz konnten wir die frühen Schritte in der Bildung des Autophagosoms kontrolliert rekonstruieren“, erläutert der Forscher. Mit dem entwickelten „Baukasten“ möchten die Wissenschaftler nun die nächsten Schritte in der Entwicklung des Autophagosoms entschlüsseln.

Originalpublikation: Justyna Sawa-Makarska, Verena Baumann, Nicolas Coudevylle, Sören von Bülow, Veronika Nogellova, Christine Abert, Martina Schuschnig, Martin Graef, Gerhard Hummer und Sascha Martens: Reconstitution of autophagosome nucleation defines Atg9 vesicles as seeds for membrane formation, Science 4. Sep. 2020: Vol. 369, Issue 6508, DOI: 10.1126/science.aaz7714

* P. Gärtner, Universität Wien, 1010 Wien/Österreich

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