wenn ein Unternehmen zwar privatwirtschaftlich organisiert ist, aber im staatlichen Auftrag handelt, dann gerät es fast zwangsläufig in die Zwickmühle. Die betriebswirtschaftlich sinnvollen Entscheidungen decken sich nur selten mit den Bedürfnissen des Gemeinwohls und anderen Ansinnen der Politik. Ein ganz besonders augenscheinliches Beispiel ist die chinesische Bahngesellschaft China Rail. Zu ihren Aufträgen gehört: die Konjunktur in abgelegenen Regionen zu fördern, Nachwuchs auszubilden, umweltfreundliche Mobilität zu ermöglichen und hohe Pünktlichkeit zu erzielen. Zu ihren Aufgaben gehört nicht: Gewinne zu erzielen. Der Staatsbetrieb ächzt bereits unter einer knappen Billion Euro Schulden und klotzt weiterhin unrentable Strecken in die Landschaft, schreibt unser Team in Peking.
„Die Gedanken sind frei“ – vielleicht braucht der Liedtext irgendwann eine Neufassung. Informationen aus menschlichen Gehirnen auslesen zu können, ist nicht nur ein häufiges Plot-Element in Science-Fiction-Geschichten. Es wäre auch der absolute Traum der Machthaber in autoritären Systemen. Damit ließen sich kritische Gedanken aufspüren, bevor sie ausgesprochen werden oder Handlungen nach sich ziehen. Präventivhaft würde sicher sehr zur sozialen Stabilität beitragen. China erprobt das maschinelle Gedankenlesen zunächst an Studenten, die sich Pornografie ansehen, schreibt Frank Sieren. Aber jede neue Technologie fängt einfach an.
Aus 17+1 wurde 16+1 und jetzt auf einen Schlag 14+1. Estland und Lettland haben Chinas Ost- und Mitteleuropa-Runde verlassen, nachdem Litauen im vergangenen Jahr den Anfang gemacht hatte. Eine Schlappe für die chinesische Außenpolitik, die zeigt, wie sehr sich die Welt in den vergangenen fünf Jahren weitergedreht hat. Damals kam die Wahrnehmung auf, Peking wildere außenpolitisch an der Ostgrenze der EU.
Heute weckt die Zahl 14 nun unvorteilhafte Assoziationen an das gleich ausgesprochene Wort yàosǐ 要死 – wörtlich „muss sterben“, auch gebraucht im Sinne von „außergewöhnlich, schrecklich“. Auch das ist kein gutes Omen für die Ost- und Mitteleuropa-Kooperation. Chinesen lieben solche Wortspiele und nehmen sie ernst. Wie die Netzbürger durch kreativen Gebrauch von Schriftzeichen die Zensur übertölpeln, beschreibt heute Johnny Erling.
Wer in diesen Tagen in China mit dem Hochgeschwindigkeitszug unterwegs ist, muss – anders als in Deutschland – nicht befürchten, in einer restlos überfüllten Bahn zu landen. Weil die strengen Corona-Maßnahmen jede Reise zu einem fast unkalkulierbaren Risiko gemacht haben, bleiben die Menschen lieber dort, wo sie sind. Selbst zwischen Shanghai und Peking ist deutlich weniger los – obwohl diese Verbindung bisher eine der wenigen war, mit der die chinesische Staatsbahn überhaupt Geld verdient hat.
Im ersten Halbjahr hat nun auch diese Strecke erstmals einen Verlust eingefahren. Vor dem Hintergrund des Lockdowns in Shanghai ist das keine Überraschung. Wie das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin berichtet, belief sich das Minus auf umgerechnet rund 150 Millionen Euro. Auch landesweit ging der Zugverkehr zuletzt zurück. Laut offiziellen Angaben reisten in der ersten Jahreshälfte nur noch 787 Millionen Chinesen mit der Bahn – ein Minus von 42 Prozent im Vorjahresvergleich.
Das sinkende Passagiervolumen verstärkt nun ein schon lange bestehendes Dilemma. Der Eisenbahnneubau dient vor allem den übergreifenden Zielen der Wirtschaftspolitik. Der Staat ordnet die Projekte an. Renditeziele sind nicht nur zweitrangig, sondern schlicht nicht vorhanden. Doch die Diskrepanz zwischen den hohen Kosten der Strecken und ihrer dürftigen Auslastung wird immer größer. Und damit wächst auch der Schuldenberg der Staatskonzerne, die den Bau stemmen.
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