T äglich stecken die Deutschen gut neun Millionen Kaffeekapseln in ihre Kaffeemaschinen und brühen sich einen Espresso oder Kaffee auf. Bei einigen Kaffeetrinkern schwingt dabei das Wissen mit, dass die kleinen Portionsdosen mit etwa fünf Gramm Kaffeepulver und zwei Gramm Verpackungsgewicht nicht gerade die für die Umwelt verträglichste Art und Weise der Kaffeezubereitung sind.
Davon wiederum profitieren Unternehmen, die mit kompostierbaren Kapseln in den Markt drängen und eine Alternative etwa für Nespresso-Apparate anbieten. Dabei handelt es sich meist um junge mittelständische Unternehmen. Der Marktführer aus der Schweiz reagiert und will nun seine Aluminiumkapseln auf Recyclingmaterial umstellen.
Doch schon heute ist jede zweite in einer Nespresso-Maschine eingesetzte Kaffeeportionsdose kein Originalprodukt mehr. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Umwelttrend hin zu weniger schädlichen Kapselverpackungen Nespresso noch stärker unter Druck setzen wird.
Das Müllproblem ist so alt wie die Kaffeekapsel selbst. Rund 3,5 Milliarden dieser Kaffeeportionen werden derzeit im Jahr in Deutschland verbraucht. Der Müllberg daraus wiegt 14.000 Tonnen, wie es die Deutsche Umwelthilfe errechnet hat. Etwa 8800 Tonnen davon sind Abfall aus Aluminium oder Kunststoff, der Rest ist Papiermüll der Verpackungen.
Das allermeiste landet am Ende im Hausmüll, ein geringer Teil findet den Weg in den Gelben Sack. Die Kapsel selbst ist übrigens 45 Jahre alt. Erfunden hat sie der Ingenieur Eric Favre im Jahr 1976 in der Entwicklungsabteilung von Nestlé, dem Mutterkonzern von Nespresso.
Genau dieses einträgliche Geschäft mit Kaffeeportionen wollen nun meist mittelständische Kaffeeunternehmen mit ihren selbst ernannten Biokapseln verändern. Die Firmennamen sind oft nur Kennern bekannt: Unicaps, Halo, Bonga Red Mountain, Feel Good Coffee, Velibre, Rezemo sind einige darunter. Auch Kaffeekonzerne wie Lavazza aus Italien oder das Münchener Familienunternehmen Dallmayr haben bereits Ökokapseln in ihr Sortiment aufgenommen.
Unter den vielen kleinen ist Unicaps einer der größeren Produzenten. Im eigenen Werk in Frankfurt an der Oder stellt das vor vier Jahren gegründete Unternehmen Kaffeekapseln aus „überwiegend biobasierten Rohstoffen“ wie Glukose, Stärke und Lignin, einem Reststoff der Holzindustrie, her.
Die Kapazität der Fabrik mit ihren 50 Beschäftigten soll im Laufe dieses Jahres von 250 auf 500 Millionen Kapseln verdoppelt werden. Finanziert wird der Mittelständler, der den Gründern Dirk N. Tillmann und Max Sandherr sowie Privatinvestoren gehört, auch über Förderbanken und Subventionen des Landes Brandenburg. Nach eigenen Angaben hat Unicaps im vergangenen Jahr rund 80 Millionen Kapseln verkauft, im laufenden Jahr sollen es etwa 180 Millionen Stück werden.
„Wir wollen in Europa zum größten Hersteller und Abfüller für nachhaltige Kaffeekapseln werden“, sagt Unternehmenschef Tillmann im Gespräch. Der 48-Jährige hat früher einmal mit dem Erfinder der Nespresso-Kapsel zusammengearbeitet, und zwar in der Zeit, als Favre sich mit Teekapseln beschäftigte.
Unicaps produziert neben der eigenen Marke auch im Auftrag für andere Kaffeeunternehmen und erwartet aus dem Land des Espressos, Italien, einen Großauftrag. Diese Lohnfertigung soll in den nächsten Jahren aus dem Nischenangebot ein Massengeschäft machen.
Zu finden sind die Kapseln derzeit in 15.000 Verkaufsstellen in Drogeriemärkten wie Rossmann oder dm sowie im Einzelhandel etwa bei Rewe oder Edeka. Der Ladenpreis liegt knapp unter dem Preisniveau von Nespresso, zehn Kapseln kosten etwa drei Euro.
Firmen mit ihren Büros sowie die Hotellerie und Gastronomie sind nach den Angaben wichtige Geschäftskunden. Unter den von Kaffeekonzernen unabhängigen Herstellern dürfte Unicaps der Marktführer in dieser Nische sein.
Doch entscheidend für Erfolg oder Misserfolg der Neuheit ist aus Sicht der Hersteller wie auch von Umweltschützern die Kompostierbarkeit der Kaffeekapseln. Und genau dazu gibt es unterschiedliche Sichtweisen.
„Unsere Kapseln tragen die DIN-Norm 13432 und sind für den Industriekompost zugelassen. Die Käufer dürfen sie daher in die braune Biotonne werfen“, beteuert Unicaps-Chef Tillmann. Die Verpackung und damit die Kapselhülle gelte ähnlich wie ein Teebeutel als Brühhilfe und sei industriell kompostierbar.
Auf die Kritik von Umweltschützern reagiert der Manager direkt. „Jenseits aller Ideologie sollte auch die Deutsche Umwelthilfe anerkennen, dass wir einen echten ökologischen Ansatz verfolgen“, sagt Tillmann. Im Unterschied zu herkömmlichen Kapseln müssten nicht, wie im Falle etwa von Aluminium, Bodenschätze entnommen, Wasser verschmutzt und viel Energie zur Herstellung aufgewendet werden.
Die angesprochene Organisation widerspricht umgehend. „Nach der Bioabfallverordnung ist die Entsorgung von Kaffeekapseln und anderen Verpackungen aus Biokunststoff über den Biomüll ausdrücklich untersagt“, entgegnet Thomas Fischer, Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe.
Der Blick in die Verordnung zeigt die Rechtslage auf. „Kunststoffe im Bioabfall sind in Deutschland nur zugelassen, wenn die abbaubaren Werkstoffe aus überwiegend nachwachsenden Rohstoffen bestehen, wenn diese nach DIN EN-Normen zertifiziert sind und wenn sie als Abfalltüten zur Sammlung biologisch abbaubarer Abfälle, wie Küchen- und Kantinenabfälle, bestimmt sind“, heißt es in dem Text.
Und weiter: „Alle anderen Kunststoffe wie auch Kaffeekapseln, auch solche, die nach den entsprechenden DIN EN-Normen als biologisch abbaubar beschrieben werden, sind keine für eine bodenbezogene Verwertung geeignete Bioabfälle.“
In den meisten Ländern der Europäischen Union ist eine Entsorgung derartiger Kaffeekapseln über den Biomüll zwar möglich, doch Deutschland hat eine andere Regel beschlossen. Nun soll es hierzulande sogar eine Neufassung geben.
„Die Novelle der Bioabfallverordnung wird klarstellen, dass Kunststoffe im Bioabfall nichts zu suchen haben. Das gilt auch für Verpackungen oder Kaffeekapseln aus Plastik, das als biologisch abbaubar beworben wird“, sagt ein Sprecher des zuständigen Bundesumweltministeriums. Übergeordnetes Ziel sei es, dass keine Plastikrückstände bei der Düngung durch Kompost auf den Feldern lande.
Ein anderer Kapselhersteller wirbt wohl auch aus diesen Gründen mit dem privaten Kompostieren seiner Produkte. „Unsere Kapsel kann der Kaffeetrinker danach einfach in den Blumentopf oder in sein Blumenbeet stecken, sie ist komplett biologisch abbaubar“, sagt Patrik Fuchs, Geschäftsführer von Halo.
Der 43-Jährige verantwortet das noch junge Deutschlandgeschäft des britischen Herstellers namens Halo. Das Thema ist ihm vertraut, schließlich hat der gelernte Banker zuvor elf Jahre bei Nespresso im Vertrieb gearbeitet. Nach den Angaben werden diese Kaffeekapseln aus Zellulose gefertigt. Die angegebene Zeit der Kompostierung von 28 Tagen ist vergleichsweise kurz.
Verkauft werden die Kaffeeportionen im Onlinehandel, im laufenden Jahr sollen ausgewählte Kaufhäuser hinzukommen. Schwerpunkt ist zunächst der Verkauf an Unternehmen mit ihren Büros sowie das Gastgewerbe. Auch diese Kaffeeportionen passen in Nespresso-Maschinen, sie liegen mit knapp acht Euro für zehn Stück jedoch deutlich über dem Preis des Marktführers aus der Schweiz.
Zwar bewertet die Deutsche Umwelthilfe die negativen Umweltauswirkungen all dieser Kapseln als „nicht ganz so stark ausgeprägt“ wie die herkömmlichen Produkte etwa aus Aluminium. „Für uns ist dies aber eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera“, sagt deren Lobbyist Fischer.
Ökologisch verträglich seien derartig kleinteilige Verpackungen wegen des Müllbergs und des höheren Ressourceneinsatzes grundsätzlich nicht. Aus Sicht der Umwelthilfe gebe es „gute Gründe“ dafür, dass die Entsorgung über die braune Biotonne verboten sei.
„Das hängt zum Beispiel damit zusammen, dass die Kapseln zu viel Zeit zum Abbau benötigen“, sagt Fischer. Derartiger Abfall schaffe den Kompostierern nur Probleme und bringe ihnen keinen nennenswerten Nutzen.
„Die Kommunen müssen Kapselmüll in der Biotonne sanktionieren. Werden Kaffeekapseln wiederholt falsch entsorgt, dann muss die Biotonne halt stehen bleiben“, fordert der Experte der Umwelthilfe mit Sitz in Hannover. Die Werbung, dass diese Kapsel kompostierbar sein sollen, habe nichts auf der Packung zu suchen. Sie gehöre verboten.
Weiter im Süden des Landes erhält diese Sicht auf die alternativen Kaffeekapseln Unterstützung. „Wir haben einige kompostierbare Kaffeekapseln aus Biokunststoff in ihrer CO2-Bilanz nachgerechnet und kommen zu dem Ergebnis, dass sie kaum weniger klimabelastend sind als herkömmliche Kapseln“, sagt Günter Dehoust, Wissenschaftler am Öko-Institut in Freiburg.
Das liege vor allem an dem verwendeten Material sowie dem hohen Aufwand für die Produktion. „Die genannte DIN 13432 ist nur eine Industrienorm. Sie ist kein rechtlicher Hinweis darauf, dass eine Kapsel in der Praxis biologisch abbaubar oder gar nachhaltig ist“, sagt Umweltschutzingenieur Dehoust.
Eine umweltfreundliche Biokapsel müsste nach dieser Einschätzung zum Beispiel aus Abfallmaterial wie Ernteresten hergestellt werden, nicht aber aus Zellulose oder Glukose wie in den genannten Beispielen. „Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund zu sagen, dass Käufer von kompostierbaren Kapseln aus ökologischen Gründen heraus ihren Kaffee mit gutem Gewissen trinken können“, sagt Dehoust.
Wenn es ein Kaffee aus einer Kapsel sein soll, dann empfehlen Umweltschützer Mehrwegkapseln, die wieder befüllt werden können. Auch damit beschäftigt sich eine zunehmende Zahl kleiner Kaffeefirmen.
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