Müllprobleme: Mallorca will Kaffeekapseln verbieten - WELT

2022-07-01 18:04:30 By : Ms. Maria Xu

D er anhaltende Boom von Kaffeekapseln, der die gute alte Kaffeemaschine in vielen Haushalten verdrängt hat, dürfte in absehbarer Zeit ein Ende haben. Zumindest gilt das für die Balearen. Der Entwurf für ein neues Abfallgesetz, das im Januar 2020 in Kraft treten soll, sieht im Inselparadies ein Verbot der umstrittenen Aluminiumkapseln vor.

Einwegprodukte sind nur noch dann erlaubt, wenn sie biologisch abbaubar sind. Das könnte dem Hollywoodstar George Clooney, der schon seit Jahren für Nespresso, die Aluminiumkapseln des Nahrungsmittelgiganten Nestlé, Werbung macht, zu denken geben. Von Umweltschutzorganisationen wird der Schauspieler, der freilich am Comer See und weniger auf Mallorca urlaubt, nämlich schon seit Jahren aufgefordert, die Nespresso-Werbung zu unterlassen.

Kurz vor Weihnachten wiederholte eine Initiative namens Clean-Coffee-Projekt die entsprechende Bitte an den Schauspieler. Die Umweltschützer beklagen, dass die Wegwerf-Kapselsysteme alljährlich fast 8000 Tonnen Kapselblech vernichteten und das Recyceln von acht Milliarden Kaffeekapseln pro Jahr extrem aufwendig sei oder gar nicht stattfinde.

Europaweit fallen jährlich rund 26.000.000 Tonnen Plastikmüll an. Weniger als ein Drittel davon wird wiederverwertet. Die EU will den Plastikmassen nun mit neuen Maßnahmen den Kampf ansagen.

Und nun macht ausgerechnet eine Region in Spanien, ein Land, das bisher nicht eben als Vorreiter für eine ökologische Transformation von sich Reden gemacht hat, den ersten Schritt. Die Balearenregierung will mit der omnipräsenten Wegwerfkultur Schluss machen, weil man nicht mehr weiß, wohin mit den 500.000 Tonnen Müll, die jährlich allein auf den vier Baleareninseln anfallen. Das mallorquinische Umwelt- und Landwirtschaftsministerium hat neben den Alu-Kapseln auch Einweg-Rasierklingen, Ohrenstäbchen, Plastikgeschirr und nicht aufladbare Zigarettenanzünder auf der Verbotsliste.

Lutscherstengel müssen wie in den 70er-Jahren aus Holz sein. Das Plastikverbot gilt sogar für Zahnpasten mit Mikroplastik oder Nanopartikeln. Ein besonderes Problem sind auch Feuchttücher für das WC, die über die Kanalisation ins Meer gelangen. Letzten Sommer schwemmten die Meeresströmungen besonders viele dieser Abfallprodukte an einige Buchten Ibizas sowie an den Stadtstrand von Palma.

Im Rathaus von Palma de Mallorca will man nicht bei allen Abfallprodukten bis 2020 warten, bis die Gesetze greifen. Zumindest bei Plastiktüten gilt ab dem 1. Januar 2019 ein generelles Verbot. Stadträtin Neus Truyol hätte die Verordnung gerne schon dieses Jahr eingeführt, doch der Einzelhandelsverband bat um einen Aufschub.

Dennoch sind die Balearen, die jedes Jahr 15 Millionen Touristen empfangen, mit ihrem neuen Müllgesetz anderen autonomen Regionen in Spanien um Längen voraus. „Das fordert die Umwelt von uns, und wir müssen schneller sein als die europäische Gesetzgebung“, so Sebastià Sansó, Direktor des Instituts für Umwelterziehung und Abfallbehandlung gegenüber spanischen Zeitungen.

Die Balearen haben das Problem, dass eine einzige Müllverbrennungsanlage unweit von Palma der Müllflut Herr werden muss. Vor 20 Jahren wurde sie gebaut, mittlerweile wurde die Kapazität verdoppelt, aber jetzt weiß man nicht mehr, wohin mit der Asche. Jedes Jahr fallen bei der Müllverbrennung 45.000 Tonnen an. Die Asche wurde bislang in riesigen Speichern aufbewahrt, doch spätestens im Mai dieses Jahres sind diese voll.

Das Problem hat europaweit gigantische Auswirkungen. Auf dem alten Kontinent fallen jedes Jahr 26 Millionen Tonnen Plastikmüll an, davon wird nicht einmal ein Drittel recycelt. Der Rest landet auf den Müllkippen oder in der Landschaft. Schlimmer noch: die Produktion von Plastik geht dank niedriger Ölpreise munter weiter. Seit China zu Jahresbeginn den Import von Plastikmüll und anderem Abfall gestoppt hat, hat Europa ein echtes Problem, denn bislang konnte man einen Teil der Müllflut nach Asien verschiffen.

Rund sechs Millionen Tonnen Plastikabfall werden jährlich in Deutschland produziert, ein Viertel davon wurde bisher nach China geschifft. Doch China stoppt nun den Import von Plastikabfällen - welche Folgen hat das für die Bundesrepublik?

Zwar ist die EU in Sachen Abfallvermeidung nach wie vor nicht allzu ambitioniert, aber immerhin will man jetzt durchsetzen, dass bis 2030 etwa 50 Prozent des Plastikmülls wieder verwendet werden. „Wenn wir unsere Politik nicht verändern, dann haben wir 2050 mehr Plastik als Fische im Meer“, sagte Jyriki Katainen, einer der Vizepräsidenten der EU-Kommission der spanischen Tageszeitung „El Mundo“. Für eine Steuer auf Plastik kann sich der Finne, der für Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständig ist, allerdings nicht erwärmen.

Statt auf ein Plastikverbot zu setzen, will er zum Bedauern der Umweltschutzorganisationen lieber erreichen, dass das Recyceln profitabel wird. „Mit der vollständigen Wiederverwertung von Plastikmüll könnte man 70 bis 105 Milliarden Euro erwirtschaften, glaubt Katainen. Zumindest auf den Balearen teilt man seine Meinung nicht. Müllvermeidung ist auf alle Fälle besser als Müllverwertung.

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