Martinique: Insel im Rhythmus des Rums - Mein Frankreich

2022-06-10 18:08:02 By : Ms. Kiya laser

Dépi nou sa bwè an ponch, dépi nou za trapé an boulézon, nou ka divini an nònm.

Verständnislos schaue ich den Kellner im French Coco von Tartane  an. Jener lacht. „Bei uns muss man keinen Löwen töten, um zum Mann zu werden – sondern Rum trinken.“

Rund neun Stunden bin ich von Paris aus in die Karibik Frankreichs geflogen, nach Martinique, einem Überseeterritorium des Hexagons in den Antillen. 19 Uhr ist es dort, und damit Zeit für den Ti Punch. Der kleine Cocktail ist ein ganz schöner Knaller.

Ein paar Tropfen Zuckerrohrsirup oder brauner Rohrzucker, Rum und einen Schlitz grüne Zitrone. Ausdrücken, reinwerfen, umrühren. Fertig. Ich nippe. Gefährlich, denke ich, und schiebe den Rum-Mix dezent hinter mein Wasserglas. Doch unsere Fremdenführerin Veronika hat mich ertappt. „Damit wirst Du hier nichts. Die ganze Insel lebt im Rhythmus von Rum.“

Bereits frühmorgens um fünf Uhr beginnt der Tag. Fit für die Arbeit macht ein Schluck Rum, „Décollage“ oder „Mise à Feu“ genannt. Zur ersten Arbeitspause um neun Uhr genehmigt  man sich auf Martinique einen Punch, entweder „sec“, „trocken“ mit Rum pur, oder „feu“, mit Rum, Limette und 13 Zuckerkörnern.

Das Durchhalten bis zur Mittagspause erleichtert um elf Uhr morgens der „ti-lagoutte“, der kleine Schluck Rum, bis der Ti Punch das Mittagessen einleitet und der „Ti 50%“ als halb volle Punch-Mischung das Mahl beschließt.

Nachmittags folgen die kleinen Rum-Pausen „L’Heure du Christ“ um 15 Uhr und „Ti Pape“ um 17 Uhr. Wer zwischendurch Durst auf Rum hat, genehmigt sich nach Lust und Laune einen „Ti-feu“, einen “ Ti-sec“, einen „CRS „(Citron-Rhum-Sirop) oder einen „Pété-pied“, der jeden blitzschnell sich nach einer Siesta sehen lässt. Dass „Ti“ von „petit“ kommen soll, halte ich angesichts der gut eingeschenkten Gläser für ein Gerücht.

Den Abend läutet der Ti Punch ein, mit einem „Partante“ endet der Tag auf Martinique. Getrunken wird Rum auf Martinique warm, ohne Eis, sondern bei Zimmertemperatur. „So entfalten sich die Aromen besser“, sagt mein Kellner. Und entfernt dezent das beiseitegestellte Glas.

Den berühmten „Planteur“ – je ein Drittel Rum, Ananassaft sowie Orangen- oder anderen Obstsaft auf zerstoßenem Eis – trinken fast nur Touristen. In den Weihnachtslikör „shrubb“ gehören Rum und Orangenschalen.

Zwölf Destillerien auf der Insel sorgen dafür, dass der Nachschub nie ausgeht. Wurde früher Zuckerrohr für die Gewinnung von Rohrzucker angebaut, wird es heute fast ausschließlich für die Rumherstellung angebaut. Rohrzucker, aber dafür richtig guten, stellt nur noch Dillon her.

„Drei Sorten werden von Rhum J.M. für die Rumherstellung angebaut – canne bleue, canne rouge und canne paille „, erzählt Aurelie Bapté (30) am nächsten Tag beim Rundgang durch die Destillerie von Jean-Marie Martin, kurz Rhum J.M. Seit 1845 wird in einem windgeschützten Tal hinter Palmen und Bambus dicht neben einer Quelle Rum gebrannt.

Wer keinen Guide bucht, kann mit der Smartphone-App auf eigene Faust an vier Stationen alle Etappen der Rumherstellung kennenlernen.

Die digitale Tour führt von der Quelle vorbei am Zuckerrohr-Mustergarten und den drei Zuckerrohrmühlen, der chaufferie, dem Fermentationskeller und der Kolonnendestillation bis zur tonnellerie (Küferei) und zum Reifekeller.

Danach wird erst geschnuppert, dann probiert. An einer Duftstation könnt ihr alle Aromen mit der Nase erspüren, die die sieben Rumsorten von J.M. prägen.

Das Prinzip der Herstellung ist bei allen Rumfabriken der Insel ähnlich. Nach der Ernte fermentiert das Zuckerrohr 18 Stunden lang vor sich hin. Bei J.M. geschieht dies in 23 großen Kesseln, die durchnummeriert sind. Dank der natürlichen Hefe erfolgt die Fermentation ganz und gar ohne Zusätze.

Nach der Fermentation wird der frische Zuckerrohrsaft auf 60° Celsius erhitzt. Die Fasern, die beim Pressen anfallen, werden recycelt und getrocknet als „bagasse“ zum Befeuern der Destillerieöfen genutzt. Drei Brennverfahren gibt es auf Martinique: Alambic, Privat und Kolonne.

Am verbreitetsten ist auf der Insel die Kolonnendestillation. Dabei entweicht der Alkohol oben als Dunst, der aufgefangen und abgekühlt wird. Voilà euer Roh-Rum.

60 bis 62 % ist er stark – und wurde früher so hochprozentig auch genossen! Heute wird während der Reife (maturation) langsam und sukzessive Quellwasser zugefügt und der Rohrum mindestens sechs Monate stabilisiert.

Dadurch verliert er pro Woche rund 1-2 %-Alkohol. Am 31. August jeden Jahres endet die Rumherstellung. So fordern es die Auflagen für die geschützte Herkunftsbezeichnung AOC. Mindestens 40 % ist er dann noch stark.

Die erste Unterscheidung ist die wichtigste: Nur rhum agricole wird tatsächlich aus frischem Zuckerrohrsaft gebrannt. Der minderwertige rhum industriel nutzt zur Herstellung die billigere Melasse (Zuckerrohrsirup). Beide Sorten sind weiß. Braun wird der Rum erst durch die Lagerung in Fässern aus den Vereinigten Statten, die für die Produktion von Bourbon-Whisky genutzt wurden.

Acht Jahre lang ruht der Rum bei J.M. in den Fässern. Für Sondereditionen kommt der Rum im neunten Jahr noch in ein weiteres Fass, in dem zuvor Cognac, Calvados oder Armagnac gereift sind. Dadurch erhält der Rum zusätzliche Nuancen im Geschmack.

Viele der ehemaligen Rum-Fabriken mit eigenem Zuckerrohranbau, auf Martinique Habitations genannt, haben heute ihre Tore für Besucher geöffnet, locken mit Verkostungen und kostenlosen Führungen und hautnahen Einblicken in die Inselgeschichte.

Besonders schön macht es die Fondation Clément. Auf dem 160 Hektar großen Anwesen von Bernard Hayot, das durch das Golfkrieg-Treffen von Bush und Mitterrand Weltgeschichte schrieb, könnt ihr gut einen halben oder gar ganzen Tag verbringen, so viel ist dort zu sehen. In der ehemaligen Destillerie erzählen Schwarzweißfotografien  vom Alltag der Arbeiter.

Im Gutspark mit Palmenhain verrät ein botanischer Garten so manch grausames Detail aus dem Leben der Sklaven. Wer zu sprechen wagte oder auf andere Weise renitent war, wurde am Fromager festgebunden. Langsam, über Stunden, bohrten sich dessen Stacheln in die Haut, immer tiefer ins Fleisch.

Blood schreien daneben rote Letter ins Grün. Die Fondation Clément ist die größte Freilicht-Kunstschau der französischen Karibik. Und eine der wenigen, die auch Gräuel von einst nicht verschweigt.

Nicht nur drei, sondern zehn Sorten Zuckerrohr für die Rumherstellung baut die alteingesessene Destillerie an, die ihren Namen von Arthur Dillon erhielt. Dillon kämpfte als Jugendlicher in den amerikanischen Unabhängigkeitskriegen in der zu Frankreich gehörenden Irish Brigade. Wer mag, kann den Rum hier* bestellen. • 9, Route de Chateauboeuf, 97200 Fort-de-France, Tel. +596 596 75 20 20, www.rhums-dillon.com

Seit 1651 stellt Despaz auf Martinique Rum her. Die Destillerie gehört damit zu den ältesten der Insel. Ihre Leitung oblag einst dem ersten Gouverneurs von Martinique, Jacques Duparquet. Wer mag, kann den Rum hier* bestellen. • Plantation de la Montagne Pelée, 97250 Saint-Pierre, Tel. + 596 596 78 13 14, www.depaz.fr

Die Brennerei produziert Rum für Rhum Clément und HSE-Marken sowie Bio-Rum unter eigenem Label. • Usine du Simon, 97240 Le François, Tel. +596 596 54 92 55, www.rhum-a1710.com

Gepresst und verarbeitet wird das Zuckerrohr zu Rum außerhalb der traditionsreichen habitations, die Reife des Rums in Fässern aus Eichenholz erfolgt indes bis heute auf dem beeindruckenden Gutsgelände. Der Rundgang durch die alten Fabrikanlagen verschmilzt altes Industrieerben mit digitalen Infos und historischen Fotos, die die Menschen hinter der Rum-Herstellung vorstellen. Das Gutshaus gewährt Einblicke in die Lebensart der weißen Gutsherrn.

Heute gehört die Habitation Clément auch zu den führenden Kunstorten der Insel. Die Galerie zeigt im Innern in zwei Sälen wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer karibischer Künstler. Der Gutspark verbindet spannend Kunst von heute mit exotischen Pflanzen aus aller Welt. Wer mag, kann den Rum hier* bestellen. • 97240 Le François, Tel. +596 596 54 75 51, www.fondation-clement.org

Einst Hauptlieferant für Zucker, gehörte HSE heute zu den größten und ältesten Rumherstellern von Martinique. Doch 100 Jahre nach der Gründung wurde der Betrieb geschlossen. Seitdem produziert den rhum agricole aus dem Hause H.S.E. Habitation Saint-Etienne die Distillerie du Simon. Wer mag, kann den HSE-Rum hier* bestellen. • 97213 Le Gros Morne, Tel. +596 596 57 49 32, www.rhum-hse.com

Seit 1842 brennt dieses kleine Familienunternehmen aus frischen Zuckerrohrsaft seinen rhum agricole in kleinen Auflagen. Jede Flasche ist durchnummeriert! • D13 – ancienne route du Lamentin, 97200 Fort-de-France, Tel. +596 596 50 47 32, www.rhum-lafavorite.com

1765 erfand Reverend Father Edmund Lefebure, Oberst der Kloster der Brothers of Charity,  in Sainte-Marie einen Zuckerrohrschnaps namens “Guildive” oder “Tafia”. Aus ihm entwickelte sich später der rhum agricole. Wer mag, kann hier* den Rum online bestellen. •  Parc de l’usine St James Plaine de l’Union,  97230 Sainte-Marie, Tel.   +596 596 69 30 02, www.saintjames-rum.com

Seit 1749 brennt La Mauny in einem grünen Tal, umgeben von Zuckerrohrfeldern, edlen Rum im Kolonnen-Verfahren. Mauny ist bekannt für den besonders sorgsamen Umgang mit dem Rohprodukt. Gut die Hälfte des Zuckerrohrs wird wie einst per Hand geschnitten. Wer mag, kann Rum von La Mauny hier* online bestellen. • Domaine La Mauny, Rivière Pilote, Tel. +596 596 62 62 08, www.lamauny.com

Erst 1932 gründeten die Neisson-Brüder die Brennerei auf der Plantage Thieubert. Heute gehört sie zu den letzten  familiengeführten Destillerien der Insel. Wer mag, kann den Rum hier* online bestellen. • Domaine Thieubert, 97221  Le Carbet, Tel. +596 596 78 03 70, www.neisson.fr

13 Sorten Zuckerrohr wachsen dort auf 120 Hektar. Daraus produziert Trois Rivières jedes Jahr mehr als zwei Millionen Liter Rum und exportiert ihn mehr als 30 Länder. Die bereits um 1660 von Nicolas Fouquet, Finanzminister unter Ludwig XIV., gegründete Brennerei gilt als älteste der Insel. Wer mag, kann den Rum hier* online bestellen. • 97228 Sainte-Luce, Tel. +596 596 62 51 78, www.plantationtroisrivieres.com

Seit 1982 feiert Saint-James am zweiten Advent von 8 bis 18 Uhr alljährlich seine Fête du Rhum.

Rum aller karibischen Inseln, insgesamt 800 Sorten, findet ihr im Rumshop bei der Destillerie Simon – auch von der neuen Destillerie Rhum A 1710. • Habitation Le Simon,97240 Le François, Tel. +596 596 66 96 95, www.lacompagniedurhum.com

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Die Lektüre ist gerade richtig pikant, würzig und deftig, wie ein frittiertes karibisches Stockfischbällchen mit dem Mord als Zugabe. (LE POINT, Paris, 2.3.2011)

Haitianische Gangster, Voodoo, illegale Borlette-Lotterien, hispanophone Huren, syrische Händler, französische Gaullisten und dubiose Polizisten: Was für ein tropisches Wespennest, in dem Privatdetektiv Jacky Teddyson bei seinem ersten Fall sticht!

Eigentlich heißt der drahtige Ermittler Raymond Vauban, aber für den Job muss ein englischer Name her. Doch auf der Karibikinsel, auf der jeder jeden kennt, gibt es wenig zu tun. Dies ändert sich, als er Besuch von Madame Irmine Ferdinand erhält.  Ihr Mann, ein bedeutender Unternehmer, wurde im Zimmer einer Prostituierten ermordet aufgefunden. Die Polizei ist ratlos.

Handelt es sich um einen Mord aus Eifersucht oder stecken politische Intrigen, illegales Glücksspiel oder sonstige dunkle Geschäfte dahinter? Drogenhandel? Oder reinste Gier?

So bunt wie die Gesellschaft, in der Jacky Teddyson ermittelt, ist auch die Sprache, mit der Raphaël Confiant die Handlung voranpreschen lässt. Sprache und Stereotypen knallen aufeinander, Gosse und Fabulierlust, Philosophie und platte Parodie: Raymond Chandler à la Karibik.

Verfasst hat ihn Raphaël Confiant. Der Martiniquais (Jahrgang 1951) lehrt als Dekan der philosophischen Fakultät an der Université des Antilles et de la Guyanege – und schreibt. Zusammen mit Patrick Chamoiseau und Jean Bernabé ist er Mitbegründer der literarischen Bewegung der créolité, die sich von Aimé Césaires Konzept der négritude absetzt.

Raphaël Confiant erhielt zahlreiche Preise, darunter den Prix Antigone, den Preis der Casa de las Americas, den Prix RFO und den Prix des Amériques insulaireset de la Guyane.

Unbescholtene Bürger*, der erste Krimi um Privatdetektiv Jack Teddyson, erschien im Original 2010 unter dem Titel Citoyens au-dessus de tout soupçon bei Caraibéditions auf Martinique und wurde 2014 von Gallimard in Paris als Taschenbuch veröffentlicht.

Peter Tier hat das Werk ins Deutsche übersetzt. Trier steht hinter dem kleinen, feinen Verlag Literadukt. Der Trierer Verlag hat sich auf Literatur der frankophonen Karibik spezialisiert und verlegt als einziger Verlag im deutschsprachigen Raum auch Literatur aus Haiti. Wer mag, kann den Band hier* online bestellen.

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Die Karibikinsel Martinique entdeckte ich auf einer Pressereise, die das staatliche französische Fremdenverkehrsamt ATOUT France, das CMT FRANCE-EUROPE und das COMITÉ MARTINIQUAIS DU TOURISME veranstaltet haben. Den Hotels und anderen Unterkünften, in denen ich wohnen durfte, den Restaurants und besuchten Orten und Stätten sage ich herzlichen Dank für ihre Unterstützung.

Unglaublich kenntnisreich nicht nur beim Thema Rum, hilfsbereit und herzlich war auch die Fremdenführerin Veronika Kuster Kudrna, die uns die gesamte Reise über begleitetet hat. Auch ihr sage ich merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat die Unterstützung meiner Reise nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

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Über diesen Beitrag habe ich sehr geschmunzelt, weil er mich an meinen früheren Aufenthalt auf Martinique erinnert hat. Das war in den Neunzigern, und den Kult um den Rum gab es damals ganz genau so wie hier beschrieben. Damals habe ich festgestellt, daß Stammgäste in den Bars ihre eigenen Flaschen bei einer Bestellung vorgesetzt bekommen. Am Ende des Besuchs markierten die Gäste den Füllstand mit einem Messer an der Flasche, nur zur Sicherheit. Übrigens hat der Rum oft über 40%, und mit 50% gibt es eine wunderbare blaue Flamme beim Flambieren der Hummer, die oft am Straßenrand von Tauchern am Nachmittag angeboten werden. Und nicht der Himmel ist die Grenze, sondern die Küchendecke. Noch was zum Rum. Im Gegensatz zu so manchem Produkt von kubanischen Dynastien, hat der Rum aus Martinique einen richtigen Geschmack und riecht richtig lecker, ganz im Gegensatz zu Tequila, dessen Geruch oft an die Straßendüfte entlang der früheren Planke erinnert. Das ist die Straße durch das ehem. Chemiekombinat Bitterfeld. Ein letzter Tip, passt auf beim Verpacken von Rumflaschen in Stoffreisetaschen. Der Geruch am Gepäckband in Paris war damals extrem, weil aus gut 60% der Taschen Rum tropfte von zerbrochenen Flaschen. Einige der wirklich hervorragenden und manchmal recht günstigen Rums aus Martinique gibt es auch im französischen Supermarkt. Viele Grüße Wolfgang

Hallo Wolfgang, markierte Flaschen – toll! Ganz, ganz herzlichen Dank für diesen Kommentar! Darauf einen Ti Punch ;-). Viele Grüße, Hilke

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