Im Südosten Portlands im US-Staat Oregon tobt die Gentrifizierung. Die Eigentumswohnungen werden immer größer, die Fabriken ebenso. Die Stadt macht sich in diesem Bereich chic und immer unbezahlbarer. Mittendrin steht das Gebäude von "Ota Tofu" - ein wenig aus der Zeit gefallen, unscheinbar und in die Jahre gekommen, aber ein Kleinod. Denn die Manufaktur ist die älteste noch aktive Produktionsstätte für Tofu in Amerika. Seit mehr als 100 Jahren wird dort in Handarbeit produziert. 2019 stand das Relikt aus einer anderen Zeit kurz vor dem Aus. Aber die Liebe eines Baseball-Spielers zu "Ota Tofu" rettete den Betrieb.
Eileen Ota leitete gemeinsam mit ihrem Mann Ko jahrzehntelang das Familienunternehmen. Das Geschäft lief gut. Selbst dann noch, als Tofu längst im Mainstream angekommen war. Schwierig wurde es erst, als die Otas immer älter wurden, ein Nachfolger aber nicht in Sicht war. Es sei wichtig, die traditionelle Herstellungsweise zu bewahren, betonte Eileen Ota gegenüber "Travel Portland": "Aber wenn es den Menschen egal ist, was sie essen, dann spielt das keine Rolle mehr. Die Art und Weise, wie wir Tofu machen, wird verschwinden."
Portland ohne "Ota Tofu"? Für Jason Ogata undenkbar. Ogata ist ein Kind der Stadt, er wuchs mit dem Geschmack des Tofus aus dem Hause Ota auf. Als er gehört habe, dass Eileen Ota darüber nachdenke, die Produktion für immer einzustellen, wusste er, dass er das Ruder übernehmen musste. "Ich war professioneller Baseball-Spieler, ich hatte keine Ahnung, wie man Tofu macht", erzählt er gegenüber "Eater". Aufhalten konnte ihn das nicht. Er kaufte "Ota Tofu", aber Ko Ota blieb Betriebsleiter. "Er hat mir die Kunst des Tofumachens gelehrt", so Ogata.
Die Arbeit an Tofu ist zu vergleichen mit der Arbeit in einer Käserei. Allerdings dreht sich dabei alles um Sojabohnen. Diese werden in der Ota-Manufaktur erst eingeweicht, dann gemahlen. In Kombination mit Wasser entsteht ein milchiger Brei. Dieser wird im Schnellkochtopf gekocht. Immer wieder muss Wasser zugegeben werden. Eine Aufgabe für Könner, denn ein genaues Rezept gibt es nicht. Das Zusammenspiel von Getreide und Wasser muss täglich neu analysiert werden, die Rezeptur angepasst. Daraus entsteht die Sojamilch, die Basis des seidigen Ota-Tofus.
Käse wird aus Quark gemacht, ähnlich funktioniert es auch hier. Damit die Sojamilch gerinnt, wird ein Magnesiumchloridpulver zugegeben. Der entstehende Tofu-Bruch wird von der Molke abgeschöpft und in Form und Festigkeit gepresst, schockgekühlt und in Blöcke geschnitten. Immer wieder muss dabei Hand angesetzt werden, geprüft und nachjustiert werden. Knapp 1,5 Tonnen Tofu entstehen so pro Produktionstag.
Schon lange bevor Ogata die Manufaktur übernahm, hatten die Otas die einstigen Holzfässer durch rostfreien Stahl und die alten japanischen Pressen durch moderne ersetzt. Die maschinelle Produktion aber kam nie in Frage und das soll auch so bleiben. "Es ist sehr arbeitsintensiv, aber ich halte es für wichtig, ich möchte dieses Vermächtnis weiterführen", erklärt Ogata dem "Eater". "Tofuhersteller gehen zu Maschinen über, auch in Japan und in Asien. Ich möchte die traditionellen Techniken zur Herstellung von handgemachtem Tofu bewahren." Noch immer wird das Tofu aus nur drei Zutaten gemacht: Sojabohnen, Magnesiumchloridpulver und Wasser. Die Einfachheit gehört zum Konzept.
Japans Kultur kam Ende des 19. Jahrhunderts nach Portland. In dieser Zeit prägten Tausende Einwanderer die Entwicklung der Stadt, sie eröffneten Restaurants und Geschäfte, Badehäuser und Hotels. Darunter auch "Ota Tofu". Gegründet von den Brüdern Heiji und Seizo Ohta, wurde dort seit 1911 selbstproduziertes Tofu verkauft. Dafür wurde die Sojamilch in Fässern auf Ziegelöfen gekocht.
Dass der Laden die Zeit überdauert hat, ist ein kleines Wunder für sich. Während des Zweiten Weltkriegs galten einige Staaten der Westküste, darunter Oregon, als Sperrgebiete. Japanisch-stämmige Einwohner wurden in Internierungslager gebracht. Menschen mit japanischen Wurzeln galten nach Pearl Harbor als Sicherheitsrisiko. Auch Saizo und Shina Ohta, die zu diesem Zeitpunkt den Tofu-Shop führten, wurden interniert.
Portlands "Japantown" kam in dieser Zeit zum Erliegen, für viele Geschäfte bedeutete die Internierung das Ende. Das Tofu-Haus aber trotzte den Umständen. Shina Ohta überlebte die Jahre in Idaho. Als sie zurück nach Portland kam, fand sie den Laden und seine Ausrüstung eingemottet vor und wagte den Neustart. Sie erweckte die kleine Manufaktur zu neuem Leben. Der Rest ist Geschichte. Das Tofu-Haus ist eines der letzten Überbleibsel der einst so florierenden "Japantown" in Portland.
Quellen: Ota Tofu, Eater, Travel Portland
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