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© a-imago-20220817_191359-2.jpg, IMAGO/Political-Moments Die Gas-Umlage könnte im Herbst auch Industrie und Handwerk in Bedrängnis bringen.
ERLANGEN/ERLANGEN-HÖCHSTADT - Wenn die neue Gasumlage greift, bedeutet dies einen tiefen Griff in die Geldbörse. Sie wird wohl durch einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Gas abgefedert. Handwerk und Industrie sind aber dennoch stark betroffen. Wir haben uns umgehört.
Für die Gärtnerei Großkopf im Hemhofener Gemeindeteil Zeckern stellt die Gasumlage dennoch eine große Belastung dar, bedeutet sie doch nach ersten Schätzungen Mehrausgaben im fünfstelligen Bereich pro Jahr. "In den zurückliegenden Monaten sind bekanntlich die Energiekosten insgesamt bereits deutlich gestiegen. Jetzt müssen wir auch noch die Umlage verkraften – das ist wirklich heftig", sagt Matthias Großkopf, der die 1906 gegründete Gärtnerei in vierter Generation führt. Staatliche Zuschüsse wären hilfreich. Allerdings will er daran erst glauben, wenn sie beschlossen sind: "Ich bin kein Volkswirt, aber da die Industrie von der Gasumlage ebenfalls sehr stark betroffen ist, weiß ich nicht, ob der Staat, der ohnehin derzeit auch viel zu bewältigen hat, bei dieser Größenordnung Unterstützung leisten kann. Das ist noch einmal eine ganz andere Dimension wie bei der Corona-Krise."
Großkopf überlegt, ob er im Frühjahr, die Temperatur für die Tomatensetzlinge und Gemüse-Jungpflanzen etwas herunterfährt. Dann dauere freilich die Entwicklung der Pflanzen länger, so dass die Gefahr bestehe, dass Kunden sie schon vorher bei anderen Geschäften kauften. Für Zierpflanzen im Innenbereich fielen im Winter zum Glück keine solch hohen Heizkosten wie für die Setzlinge an.
Weitere Energiesparmaßnahmen habe man nicht zuletzt wegen des Klimawandels in der Vergangenheit längst umgesetzt, betont der Hemhofener Geschäftsmann. Die Gärtnerei will wegen des neuen umfangreichen Kostenfaktors Kontakt mit Betrieben aufnehmen, die mit Biogas, Öl oder Hackschnitzel heizen. Jedoch seien auch hier die Preise gestiegen und die Nachfrage groß. Zudem müsse durchkalkuliert werden, ob durch den Zukauf junger Gemüsepflanzen noch eine ausreichende Gewinnspanne verbleibe. Inwieweit er die Belastungen durch Preiseerhöhungen zumindest zum Teil kompensieren könne, sei derzeit schwer vorherzusagen, so der Zeckerner Gärtnerei-Inhaber. Schließlich hätten auch die Verbraucher momentan finanziell eine Menge zu bewältigen: "Viele hätten eventuell Verständnis für eine Preisanpassung, aber wenn sie generell bei den Ausgaben zu sparen haben, kaufen sie möglicherweise weniger oder gar keine Pflanzen."
So dramatisch der Klimawandel ist, so hat er doch auch eine kleine positive Seite. "Wir alle hoffen auf einen milden Winter, so dass nicht ganz so viel geheizt werden muss. Gäbe es wie früher mehrere Wochen oder Monate lang Minustemperaturen, wäre das katastrophal", blickt Großkopf in eine ungewisse Zukunft.
"Auch unsere Bäckerei ist von der Gasumlage betroffen, die bei uns nicht unerhebliche Mehrkosten verursacht", sagt Tobias Ballbach, Leiter für Marketing und PR beim Großbäcker Der Beck.
Wie sich die Gas-Liefersituation im Herbst entwickelt, ist derzeit unklar. © imago stock&people, imago images/ZUMA Wire
Der Beck versuche zwar, steigende Kosten möglichst ohne direkte Preiserhöhungen abzufangen, "aufgrund der aktuellen Lage wird eine Preisanpassung bei einigen Produkten jedoch unumgänglich sein", kündigt Ballbach an. Doch nicht nur der Faktor Energie verteuert derzeit die Produktion von Semmeln, Broten und anderen Backwaren aus Tennenlohe. Der Großbäcker kämpft, wie andere Bäckereien auch, mit den gestiegenen Preisen für die Herstellung seiner Leckereien.
"Die Einkaufspreise bei fast allen Rohstoffen, die wir zur Herstellung unserer Backwaren und Imbisse benötigen, sind enorm gestiegen", berichtet Tobias Ballbach weiter. Betroffen seien davon vor allem Mehl, sämtliche Milchprodukte, Hefe, Öle, Wurst oder auch Kaffee.
Eine für die Erdgas-Pipeline Nordstream 1 gewartete Turbine, die von russischer Seite als Vorwand für die stark reduzierten Gaslieferungen genutzt wird. © Bernd Thissen/dpa
Tiefer in die Tasche muss man in Tennenlohe auch für Verpackungsmaterialien wie Papier oder Pappe greifen. Hier seien die Preise sogar "sehr stark" gestiegen.
Die Martin Bauer Group in Vestenbergsgreuth ist ein traditionell im Kräuter- und Teegeschäft tätiger Familienbetrieb und zählt zu den großen Mittelstandsunternehmen in der Region. Mit der zunehmend problematischer werdenden Situation auf dem Energiemarkt hat man sich schon vor einiger Zeit beschäftigt: "Die aktuelle europäische Energieversorgungssituation unterliegt aktuell bisher nicht gekannten Risiken. Versorgungsengpässe durch die Reduzierung der Gaslieferungen aus Russland können und werden die Versorgungssituation der Industrie in Deutschland massiv beeinflussen", heißt es in einer Mitteilung der Geschäftsleitung.
"Auch Martin Bauer ist wesentlich von einer verlässlichen Gaslieferung abhängig", betätigt Unternehmenssprecherin Elisabeth Wedel. Man kooperiere mit "wirtschaftlich stabilen Energieversorgern" und gehe von einer weiteren Belieferung aus - vorbehaltlich eines Komplettstopps der russischen Gaslieferungen.. Genutzt wird ein Gasmix, "auf den wir allerdings keinen unmittelbaren Einfluss haben", so Wedel.
Darüber, wie auf die Gasumlage und die allgemeine Energieverteuerung reagiert werden soll, ist bei dem Vestenbergsgreuther Unternehmen allerdings noch keine finale Entscheidung getroffen worden. Die Firma betont allerdings, langfristige vertragliche Vereinbarungen zu Gas-Liefermengen zu haben, um die Versorgung entsprechend absichern zu können. Außerdem würden derzeit mehrere Projekte umgesetzt, "die sowohl unsere Energieeffizienz verbessern als auch den Energiebedarf reduzieren", heißt es aus Vestenbergsgreuth. Zudem würde der Eigenversorgungsanteil, insbesondere bei Strom und der Anteil an regenerativen Energieformen "kontinuierlich erhöht", um unabhängiger von Energie-Fremdlieferungen zu werden. Zudem ermögliche die an sich auf Gas ausgelegte Anlagentechnik im Rahmen der Extraktion, die grundsätzlich auf Gasversorgung ausgelegt ist, notfalls auch den Betrieb über Erdöl.
"Damit wäre grundsätzlich eine Kompensation von Gasengpass-Situationen möglich, allerdings zu wirtschaftlich deutlich schlechteren Konditionen", erklärt Firmensprecherin Elisabeth Wedel und ergänzt: "Grundsätzlich führen höhere Energiepreise bei Produkten mit energieintensiven Produktionsschritten auch zu deutlichen Preissteigerungen bei den Endprodukten, die wir entsprechend weitergeben müssen".
Die Rohre für Nord Stream 2 wurden nach jetzigem Stand der Dinge vielleicht umsonst verlegt. Je nachdem, wie sich das Ost-West-Verhältnis entwickelt, wird durch diese Pipeline vielleicht nie Gas fließen. © J.Koehler, imago/Jens Koehler
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