Validierung von Spritzgießprozessen pragmatisch machbar?

2022-07-08 20:25:55 By : Ms. Jannicy Pu

In Normen und einschlägiger Literatur ist nicht spezifiziert wie die Validierung eines Spritzgießprozesses konkret zu erfolgen hat. Ein Dienstleister hat in Eigenregie Qualifizierungsverfahren entwickelt, die eine fundierte Basis für Projektkonzepte darstellen.

Produktionszelle für Single-Use-Produkte der In-Vitro-Diagnostik. (Bild: Rittinghaus)

Das Unternehmen Rittinghaus projektiert seit 1956 das Herstellen von Präzisionsspritzgusswerkzeugen, thermoplastischen Spritzgussteilen und Baugruppen nach Spezifikation. Der Mittelständler ist unter anderem nach DIN EN ISO 13485 zertifiziert und hat den Fokus seit mehr als 10 Jahren auf die Medizintechnikbranche, aus der in Halver vermehrt Fragestellungen zum Thema Prozessvalidierung eingehen. Mit Aspekten zur Prozessvalidierung beschäftigt sich das Unternehmen seit der Zertifizierung des eigenen QM-Systems. Die DIN EN ISO 13485 fordert in Abschnitt 7.5.6, dass eine Organisation „sämtliche Prozesse der Produktion und Dienstleistungserbringung validieren muss, deren Ergebnis nicht durch nachfolgende Überwachung verifiziert werden kann“.

„Detaillierte Informationen, wie so ein Validierungsumfang für Spritzgießprozesse konkret aussehen kann, waren weder offiziellen Schriften noch der uns bekannten Fachliteratur zu entnehmen. Auch unsere Kunden können eher selten präzise formulieren, wie und in welchem Umfang die Prozessvalidierung durchzuführen ist“, erläutert Geschäftsführer Bernd Rittinghaus. Und weiter: „Um in den Projektanfragen eine konkrete Diskussionsgrundlage zu haben und den Kunden eine normen-konforme Prozessvalidierung auch ohne externe Vorgabe anbieten zu können, haben wir uns entschlossen, ein eigenes mehrstufiges Qualifizierungsverfahren auf Basis eines internen Projektes zu entwickeln.“

Bei neuen Validierungsprojekten können Anwender zwischen drei unterschiedlich komplexen Qualifizierungsverfahren wählen, welche sich im Umfang teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Jedes Verfahren enthält eindeutig definierte Qualifizierungsschritte und -inhalte. Bei Bedarf können auf Wunsch in jedem Verfahren einzelne Bausteine aus einem anderen Verfahren oder Zusätze wie beispielsweise statistische Versuchsplanung (DoE) ergänzt werden.

Als Zulieferer und Werkzeughersteller nach Vorgabe sah sich das Unternehmen mit unterschiedlichen Interpretationen von Begrifflichkeiten aus dem Validierungskontext konfrontiert. Deshalb wurden in einer ersten Phase Begrifflichkeiten definiert und in einen systematischen, strukturierten Prozess mit verbindlichen Quality Gates eingeordnet. Aus diesem Prozesskonzept wurde ein Validierungsmasterplan mit detaillierten Arbeitspaketen abgeleitet, wie die einzelnen Qualifizierungsschritte in den Projekten abzuarbeiten sind. Für jedes Projekt werden alle Details entsprechend den Anforderungen in einem projektspezifischen Validierungsmasterplan festgelegt.

Kaum ein anderer Prozessschritt bereitet den Herstellern von Medizinprodukten so viel Kopfzerbrechen wie die Validierung. Sie ist für ISO13485 zertifizierte Unternehmen immer ein zeitaufwendiges und teures Unterfangen – unabhängig davon, ob ein neuer Prozess aufgesetzt oder ein bestehender erweitert wird. Hersteller sehen sich zudem mit neuen strengeren Regularien konfrontiert, etwa durch die neue Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR), die dieses Jahr in Kraft tritt. Mehr dazu hier

Neben dem Qualifizieren der Spritzgießwerkzeuge, Maschinen, Anlagen und sonstigen Infrastruktur bildet das Validieren des artikelspezifischen Spritzgießprozesses einen wesentlichen Schwerpunkt in den Validierungsprojekten. „Wir haben uns intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine verlässliche Validierung ausschließlich durch Einsatz komplexer Methoden wie Werkzeuginnendrucküberwachung oder DoE effizient und effektiv erreicht werden kann. Oder gibt es auch andere sinnvolle Wege zum Ziel?

Die bisherigen Erfahrungen aus unseren Validierungsprojekten scheinen diese Frage zu bejahen“, berichtet Martin Schütz, Leiter Qualitätsmanagement. Zunächst werden nach einem durch interne Erfahrungen/Expertenwissen abgeleiteten Standardvorgehen Prozessfenster und Eingriffsgrenzen für kritische Verar-beitungsparameter ermittelt, innerhalb derer das Produkt qualitätsfähig gefertigt werden kann. Durch Berechnen von Spritzteilgewicht, Dosiervolumen, Zuhaltekraft der Maschine und Kühlzeit aus Konstruktions-vorgaben wie Fließweg, projizierte Fläche und Wandstärken sowie den Angaben der Materialdatenblätter, werden relevante Ausgangsparameter für die Bemusterungsversuche bestimmt, die durch eine Füllstudie bestätigt oder modifiziert werden. Nach der Füllstudie werden durch Siegelpunktermittlung und Prozessvariationen die Werte für Nachdruck, Nachdruckzeit, Zyklus, Werkzeugtemperatur, Düsentemperatur und Schließkraft bestimmt. Sie definieren die Basis für Formteilfüllung, Schwindungsverhalten und Artikelqualität. Des Weiteren wird der Punkt der optimalen Formteilfüllung detektiert. Hieraus resultieren dann Vorgabewerte für Nachdruck, Nachdruckzeit, Einspritzzeit und Umschaltspritzdruck in der Einspritzphase. Mit den Informationen aus den vorher definierten Versuchsreihen wird im Rahmen der erweiterten Füllstudie als Ausgangsniveau für das Bestimmen der robusten Prozessfenster ein optimierter Prozesspunkt eruiert.

Der optimierte Prozesspunkt beschreibt hierbei die Prozesseinstellung, in welcher mit der verwendeten Materialcharge die bestmögliche Bauteilqualität und Prozessstabilität erreicht werden kann. Zum Bestätigen des gewählten Prozesspunktes wird die Kurzzeitprozessfähigkeit (cmk) aller definierten Validierungsmerkmale für alle Kavitäten festgestellt. Nach Analyse aller relevanten Ausgangsparameter und dem Nachweis der Kurzzeitprozessfähigkeit verbleiben in der Regel in dem vom Projektierer entwickelten Validierungsansatz sechs Prozesseinstellgrößen, die deutlichen Einfluss auf die Teilequalität haben. Für diese wird in Versuchs-reihen durch definiertes Absenken und Erhöhen ermittelt, in welchen Grenzen sie variieren können, um stabil qualitätskonforme Teile zu erzeugen. Durch diese Variation kann zum Beispiel auf veränderte Fließeigenschaften des Rohmaterials durch Chargeneinflüsse oder schwankende Umgebungsbedingungen innerhalb der Produktion reagiert werden. In der Regel werden für jede relevante variable Einstellgröße sechs Versuchseinstellungen zum Ermitteln der Prozessfenster benötigt.

Nach der Fertigung der Teile mit allen Einstellungen werden die Ergebnisse durch den Validierungsbeauftragten aufbereitet und in einem Projektmeeting mit dem Validierungsteam besprochen. Innerhalb des Meetings bewertet das Team anhand der attributiven und variablen Produktmerk-male, der resultierenden Prozesskenngrößen, der Vorgaben des Materialherstellers und unter Beachtung des internen Spritzgieß-Know-hows die verschiedenen Einstellungen und legt auf dieser Grundlage Prozessfenster für jeden variablen Parameter fest. Beim Festlegen der finalen Prozessfenster für die relevanten Einstellgrößen sind deren Auswirkung auf jedes einzelne Artikel-Validierungsmerkmal sowie mögliche Wechselwirkungen zu bewerten.

Bernd Rittinghaus führt aus: „Nach unseren bisherigen Erfahrungen liefert bei unserem Produktspektrum auch dieses pragmatische Verfahren ohne Anwendung statistischer Versuchsmethodik (DoE) mit einem vertretbaren Aufwand ausreichend valide Ergebnisse. Selbstverständlich ist bei einigen Fragestellungen die Anwendung von DoE und anderen Verfahren bei der Validierung von Spritzgussprozessen zu empfehlen, weshalb wir sie als Zusatzbaustein in unseren Qualifizierungsverfahren zusätzlich anbieten.“ Aus der Festlegung der variablen Parameter ergeben sich auch Wertebereiche (Fenster) für die resultierenden Prozesskenngrößen. Zur Kontrolle des Spritzprozesses werden zusätzlich feste Toleranzen für definierte Qualitätsüberwachungsparameter für die Qualitätsüberwachung auf Maschinenebene sowie im ALS (Arburg Leitrechner System) festgelegt. Durch diese Maßnahmen wird jeder Spritzzyklus geprüft und ausgewertet, sowie bei Toleranzüberschreitung das Bauteil auto-matisch als fehlerhaft ausgeschleust. Die Qualitäts- und Hüllkurvenüberwachung der für das jeweilige Produkt freigegebenen Produktions-maschine ist Teil des freigegebenen validierten Produktionsdatensatzes.

Als Abschluss der Prozessfindung wird in einer weiteren Versuchseinstellung (Mitte Prozessfenster) eine Kurzzeitfähigkeitsuntersuchung an 50 Bauteilen aus jeder Kavität durchgeführt und bewertet. Die in der Validierung bewerteten attributiven und variablen Artikelmerkmale fließen in die CAQ-Prüfpläne für die produktionsbegleitenden Artikel-prüfungen ein. Erst im Anschluss an den Nachweis einer angemessenen Prozessfähigkeit wird in Übereinstimmung mit dem Auftraggeber gewählten Validierungsverfahren die Erstbemusterung der Artikel zur Freigabe angestoßen.

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„Unsere bisherigen Erfahrungen in den Validierungsprojekten zeigen, dass auch pragmatische Ansätze zur Prozessvalidierung mit hohem Aufwand verbunden sein können. Die Anwendung komplexer Verfahren und Methoden ist bei bestimmten Problemstellungen sicherlich zu empfehlen, in einigen Projekten können aber auch sinnvolle pragmatische Ansätze zu ausreichend validen Ergebnissen führen“, so der Geschäftsführer. Voraussetzung hierfür sind allerdings fundiert hergeleitete und verifizierte Kriterien. Welcher Ansatz und welcher Validierungsumfang für ein spezifisches Produkt ausreichend sind, entscheidet der Auftraggeber. Der Dienstleister kann durch seine Erfahrung die Abwägung und Entscheidung des Anwenders sinnvoll unterstützen. So ist ein teilindividualisiertes Validierungsverfahren bei dem Zulieferer möglich, welches zu einer beschleunigten Projektdurchlaufzeit beitragen kann.

Kunststoffe, die in der Medizin zum Einsatz kommen, müssen besondere Eigenschaften erfüllen. Die Grundanforderungen an Materialien für die Medizintechnik etwa sind Biokompatibilität, Sterilisierbarkeit, Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit. Die Anforderungen unterscheiden sich dabei im Einzelnen zwischen Materialien, die außerhalb des Körpers, und solchen, die – im Körper etwa als Implantate – zum Einsatz kommen. Biomaterialien – also Werkstoffe, die sich mit Körperzellen vertragen – dürfen keine schädigende Wirkung auf Organismus verursachen, sondern müssen vom Körper toleriert oder, im günstigsten Fall, wie körpereigenes Material akzeptiert werden. Wichtig ist außerdem, dass von dem Material keine toxische Wirkung auf den Organismus ausgeht. Festgelegt sind diese Anforderungen in verschiedenen Vorschriften und Richtlinien, beispielsweise der EU-Richtlinie 93/42/EWG, die auch als „Medical Device Directive“ bekannt ist. Seit 2019 definiert und beschreibt die VDI-Richtlinie 2017 speziell für den Bereich der Kunststoffe, was unter Medical Grade Plastics zu verstehen ist und welche Eigenschaften und Anforderungen maßgeblich sind. (Bild: Paul Vinten – Fotolia)

Polyethylen (PE) ist nicht nur insgesamt der weit verbreitetste Kunststoff, sondern spielt auch im medizinischen Einsatz eine große Rolle. Der Werkstoff kommt vor allem in Verpackungen für klinische und pharmazeutischer Produkte zum Einsatz, so etwa in Flaschen oder Folien, aber auch beispielsweise in Spritzen. Vor allem Polyethylene hoher Dichte, sogenanntes PE- HD, zeichnet sich dabei durch eine hohe Formfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit aus. Das Material kommt daher etwa auch für Implantate, zum Beispiel als Hüftgelenkpfannen in der Orthopädie, zum Einsatz. Außerdem lässt sich etwa bei Behältern aus PE der Einfluss von migrierenden Additiven vermeiden. (Bild: catsnfrogs – Fotolia)

Das zweite besonders häufig in der Medizin eingesetzte Polymer ist Polyvinylchlorid, besser bekannt als PVC. Für den Werkstoff sprechen vor allem der geringe Preis, auch im Vergleich zu anderen Kunststoffen, sowie die einfache Verarbeitbarkeit. Das Material ist außerdem sehr gewebe- und blutverträglich. Aufgrund dieser Eigenschaften kommt PVC vor allem in Einweg-Produkten wie Blutbeutel und Handschuhe oder Katheter, aber auch für Schläuche und sterilisierbare Verkleidung von medizinischen Geräten zum Einsatz. Als Problem von Weich-PVC gilt zunehmend, dass der Kunststoff meist phthalathaltige Weichmacher wie Diethylhexylphthalat (DEHP), das nicht chemisch gebunden ist und damit in seine Umgebung migrieren kann. Dem Additiv werden fortpflanzungsschädigende Eigenschaften zugeschrieben. Weich-PVC enthält bis zu 40 Gewichtprozent an DEHP. Während der Stoff in Kinderspielzeug oder Kosmetika verboten ist, gilt das Additiv in Medizinprodukten als weitgehend unverzichtbar. Hersteller müssen jedoch jeweils darlegen können, warum sich keine Alternativen zu DEHP einsetzen lassen. (Bild: Stephan Morrosch – Fotolia)

Für Verpackungen aller Art kommt im medizinischen Bereich vor allem Polystyrol (PS) zum Einsatz. Durch seine hohe Transparenz und ist der Thermoplast vor allem in Anwendungen zu finden, in denen sonst Glas zum Einsatz kommen würde, also etwa in Behältern für infektiöses oder toxisches Material oder im Laborbereich in Petrischalen und Ähnlichem. PS findet jedoch beispielsweise auch als Folie in Medikamentenblistern Verwendung. Expandiertes Polystyrol (EPS), weit bekannt unter dem Handelsnamen Styropor, dient als Schaumstoff dagegen dem Schutz von empfindlichen Produkten. Außerdem leistet das Material durch seine wärmedämmende Wirkung seinen Dienst in der Kühlkette beim Transport von Medikamenten und aktuell in der Logistik von Covid-19-Impfstoffen. (Bild: ggw – Fotolia)

Auch Polypropylen (PP) kommt hauptsächlich für die Verpackung zum Einsatz, beispielsweise wiederum in Medikamentenblistern, aber auch für Einwegspritzen oder Infusions-Bestecke. Hitzestabilisierte Polypropylen-Typen sind darüber hinaus gut zu sterilisieren. Außerdem kommt PP auch in Implantaten zum Einsatz. Außerdem spielt PP durch seine glatte Oberfläche als Nahtmaterial eine große Rolle. (Bild: ThKatz – Fotolia)

PE, PVC, PS und PP sind die mit Abstand gängigsten Polymere in der medizinischen Anwendung und stehen zusammen für 80 bis 90 % der dort eingesetzten Kunststoffe. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Kunststoffe in der Medizintechnik. Bereits seit etwa 20 Jahren wird beispielsweise auch Polyetheretherketon (PEEK) für Implantate in der Wirbelsäulen- und Gesichtschirurgie verwendet. Aufgrund eher unvorteilhafter Oberflächeneigenschaften ist der Werkstoff aber nicht weit verbreitet. Nitril-Polymere wiederum finden durch ihre chemische Beständigkeit und die gummiähnlichen Eigenschaften für Schutzhandschuhe Anwendung. (Bild: April Cat – Fotolia)

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