Meßmer : Wie man elf Milliarden Teebeutel im Jahr verkauft - WELT

2022-05-27 19:28:30 By : Mr. john Xiao

D er Blick von der Terrasse geht über den Hamburger Museumshafen und die Magellan-Terrassen. Die Herbstwärme hat die Menschen zum Bummeln in die Hafencity gelockt. Und nun trinken sie im Meßmer Momentum am Kaiserkai Tee und genießen die letzten schönen Tage. Meßmer ist eine der Marken der Ostfriesischen Teegesellschaft mit Sitz in Seevetal. Der Mittelständler gehört zu den deutschen Marktführern. Jochen Spethmann führt das Familienunternehmen in der dritten Generation.

Welt am Sonntag: Herr Spethmann, Ihr Vater ist gerade Unternehmer des Jahres geworden. Warum nicht Sie?

Jochen Spethmann: Es ist ein Preis für das Lebenswerk. Ich unterstelle mal, dass wir, also mein Bruder und ich, noch zu jung sind, um für so etwas in Betracht zu kommen. Ohne die Arbeit meines Vaters und meiner Mutter wäre die Grundlage nie geschaffen worden, auf der wir haben aufbauen können.

Welt am Sonntag: Wie ist das Verhältnis zu Ihren Eltern?

Spethmann: Gut. Ich habe zehn Jahre mit meinem Bruder, meinem Vater und meiner Mutter zusammengearbeitet. Danach war es dann durchaus auch mal kritisch. Später war es meine Mutter, die meinen Vater überzeugt hat, aus dem Unternehmen auszuscheiden und es uns zu verkaufen.

Welt am Sonntag: Sie haben das Unternehmen nicht geerbt? Wie haben Sie das finanziert?

Spethmann: Zum Glück waren die Zahlen ganz gut. Wir hatten eine gute Strategie und haben Banker gehabt, die das Vertrauen in meinen Bruder und mich hatten und uns finanziert haben, damit wir weitermachen konnten.

Welt am Sonntag: Ist das nicht eine harte Entscheidung von Ihrem Vater gewesen?

Spethmann: Ja. Sie hatte zwei Motivationen. Zum einen wollten meine Mutter und er im Alter nicht von uns abhängig werden, weil er das Geld immer in die Firma gesteckt hat. Zum anderen war da die Überzeugung, dass man nie ein richtiger Unternehmer wird, wenn man nicht persönliche Schulden gehabt hat. Wir bekamen dann auch gleich einen Zettel, wie der Kaufpreis berechnet worden war. Meine Eltern gaben uns zwei Tage Zeit zum Überlegen.

Welt am Sonntag: Konnten Sie mit Ihrer Mutter reden, damit der Kaufpreis geringer wird?

Spethmann: Nein, der Preis war fair. Mein Bruder ist bei uns der Finanzer. Der hat das durchgerechnet und schnell festgestellt, dass wir es hinbekommen.

Welt am Sonntag: Sie wollten nicht nachverhandeln?

Spethmann: Nein. Das war ein klarer Schnitt. Meine Eltern sind danach aus dem Management ausgeschieden. Einige Zeit später auch aus dem Beirat. Sie sind konsequent auch nicht mehr im Unternehmen gewesen.

Welt am Sonntag: Seit wann gibt es die Ostfriesische Teegesellschaft?

Spethmann: Die gibt es seit 1907. Sie wurde von meinem Urgroßvater gegründet und ist danach in der Familie geblieben. Später ist das Unternehmen von Leer nach Hamburg gezogen. Mein Vater hat es dann im Alter von 23 Jahren übernommen.

Welt am Sonntag: Sind Sie auch als Holding noch ein Familienunternehmen?

Spethmann: Ja. Hundertprozentig. Die Familie hält alle Anteile. Wir sind nicht nur Gesellschafter und Eigentümer, sondern mein Bruder und ich sind im Management tätig. Wir versuchen in der Art und Weise, wie wir das Unternehmen führen, dieses Familienfeeling zu erhalten.

Welt am Sonntag: Welche Vorteile bringt die Komponente „Familie“ für Sie?

Spethmann: Es ist nicht anonym. Man weiß, wie derjenige aussieht, der das Unternehmen führt. Man ist erleb- und anfassbar. Ich stehe auch heute noch in regem Kontakt mit unseren Kunden und Verbrauchern. Vor allem aber auch mit unseren Mitarbeitern.

Welt am Sonntag: Werden die Entscheidungen mit Ihrem Bruder eins zu eins geführt?

Spethmann: Nein, und das wäre auch unnatürlich. Gute Entscheidungen entstehen auch durch Reibung, Auseinandersetzungen und Konflikte. Außerdem sind mein Bruder und ich nicht allein im Vorstand.

Welt am Sonntag: Wer ist noch dabei?

Spethmann: Wir haben einen Kollegen, der nicht zur Familie gehört. Hinter verschlossenen Türen geht es manchmal zur Sache. Wenn wir aber entschieden haben und wieder herauskommen, dann sprechen wir alle eine Sprache. Ich bin zwar der Vorsitzende, aber entschieden wird gemeinsam. Ich sage immer, ich bin das Gesicht der Firma. Ich bin der Kommunikator.

Welt am Sonntag: Welche Generation steht jetzt am Ruder?

Spethmann: Wir sind in der Familie die vierte Generation, unternehmerisch die dritte.

Welt am Sonntag: Warum das?

Spethmann: Weil mein Vater direkt von seinem Großvater übernommen hat.

Welt am Sonntag: Steht die fünfte Generation schon in den Startlöchern?

Spethmann: Ja. Wir haben in der nächsten Generation acht junge Erwachsene, die sich in der Ausbildung und Studium befinden. Wir haben seit Jahren neben unserem Gesellschaftervertrag auch einen Familienvertrag entwickelt.

Welt am Sonntag: Was steht darin?

Spethmann: Dort haben wir aufgeschrieben, wie wir uns als Familienunternehmen begreifen, welche Werte und welche Rollen wir haben. Darin steht auch, dass maximal zwei Familienmitglieder in das Management einscheren können. Das entscheidet aber nicht die Familie, sondern unser Beirat. Das wissen die Kinder auch, das halten wir sehr transparent und sprechen mit Ihnen im Rahmen unserer Familientreffen darüber.

Welt am Sonntag: Wird dabei Tee getrunken?

Welt am Sonntag: Und wie viele Menschen trinken in Deutschland Ihren Tee?

Spethmann: 13 Millionen Haushalte haben im vergangenen Jahr mindestens einen Tee von Meßmer gekauft.

Welt am Sonntag: Kann man das in Tassen umrechnen?

Spethmann: In etwa 325 Millionen Tassen.

Welt am Sonntag: Wie viele Teebeutel verkaufen Sie pro Jahr?

Welt am Sonntag: Verkaufen Sie mehr losen Tee oder mehr Teebeutel?

Spethmann: Eindeutig mehr Teebeutel. Sie sind ein Wunderwerk der Technik. Der Kunde bekommt genau die Portion Tee, die er braucht. Dazu bekommt man eine „Geling-Garantie“. Es steht genau darauf, wie lange man ihn aufbrühen muss.

Welt am Sonntag: Wie lange muss aufgebrüht werden?

Spethmann: Das kommt immer auf die Sorte an. Schwarz- und Grüntee zwischen drei und fünf Minuten. Beim Kräutertee sind es je nach Sorte zwischen fünf und acht Minuten.

Welt am Sonntag: Das Wasser muss doch heiß sein?

Spethmann: Das stimmt nicht. Wasser soll in jedem Fall erst einmal gekocht haben. Für grünen Tee kann man das Wasser ruhig ein bisschen abkühlen lassen.

Welt am Sonntag: Was schmeckt besser, der lose Tee oder der Teebeutel?

Spethmann: Wenn es die gleiche Ausgangsware ist, schmeckt er genau gleich. Es ist ein Mythos, dass der lose Tee besser sein soll, als der Teebeutel.

Spethmann: Die Produktion des losen Tees und der Teebeutel findet genau gleich statt. Am Ende des Prozesses läuft der Tee über ein Siebsystem. Es gibt vier Blattgradierungen. Je nachdem auf welchem Sieb der Tee liegenbleibt, bekommt er einen Namen.

Welt am Sonntag: Welchen Namen?

Spethmann: Das sind Leaf, Broken, Fannings und Dust. Auf Deutsch: Blatttee, kleinblättriger Tee, Tee für Aufgussbeutel und gesiebtes Teepulver. Der Tee wird immer kleiner, bleibt aber der gleiche.

Welt am Sonntag: Wer hat den Teebeutel erfunden?

Spethmann: Das war um 1906 der US-amerikanische Teehändler Thomas Sullivan. Es passierte ihm rein zufällig. Um Gewicht zu sparen, verschickte er seine Teeproben in kleinen, platzsparenden Seidenbeutel.

Welt am Sonntag: Was benutzen Sie für Teebeutel?

Spethmann: Wir haben speziell für uns entwickelte Teebeutelmaschinen. Als mein Vater anfing, gab es eine Firma, die diese Maschinen herstellte, aber nicht an uns verkaufen wollte.

Spethmann: Weil wir potenzielle Konkurrenten waren. Also ist mein Vater durch ganz Europa gefahren, bis er eine kleine italienische Firma gefunden hat, die einen Prototyp hatte. Von dem haben wir unsere erste Teebeutelmaschine gekauft. Heute ist diese Firma einer der größten Verkäufer von Teebeutelmaschinen und wir sind der größte Kunde.

Welt am Sonntag: Was ist der Tee-Klassiker?

Spethmann: Wenn man überzeugte Schwarzteetrinker fragt, dann wird sicherlich der Darjeeling-Tee genannt werden oder auch der Earl Grey. Wenn man Grünteetrinker fragt, gehört Jasmin-Tee ebenso dazu wie Sencha-Tee. Ich persönlich liebe Verveine.

Welt am Sonntag: Was ist das für ein Kraut?

Spethmann: Das ist die französische Eigenart des Eisenkrauts. Das bekommen Sie in jedem französischen Toprestaurant als Alternative zum Espresso angeboten. Sehr empfehlenswert.

Welt am Sonntag: Wer mixt die Tees, damit sie gut schmecken?

Spethmann: Das eigentliche Geheimnis eines Teeunternehmens sind die Tea-Taster. Ich bin auch gelernter Tea-Taster. Sie sind mit den Sommeliers vergleichbar. Sie kaufen auf der ganzen Welt Tee ein und kreieren wunderbare Kompositionen.

Welt am Sonntag: Wie viele Tassen Tee darf ich pro Tag trinken?

Spethmann: Da gibt es keine Grenzen. Ich persönlich trinke am Tag zwischen einem und anderthalb Litern Tee. Ich trinke aber nicht nur Schwarzen oder Grünen Tee, sondern auch viele Kräuter- und Früchtetees. Eine Tasse Tee hat nur die Hälfte des Koffeins verglichen mit einer Tasse Kaffee.

Welt am Sonntag: Wo auf der Welt wird am meisten Tee getrunken?

Spethmann: Die Iren trinken pro Kopf am meisten Schwarztee. Sie bekommen ihren Tee wie die Engländer überwiegend aus Ostafrika. Aus Kenia, Ruanda, Malawi.

Welt am Sonntag: Woher beziehen Sie Ihren Tee?

Spethmann: Weltweit. Die Schwarz- und Grüntees kommen aus Ländern wie Indien, Sri Lanka, Indonesien oder China, aber auch aus Ostafrika und Argentinien. Bei den Kräuter- und Früchtetees geht es um die ganze Welt. Wir haben 200 verschiedene Pflanzen aus 70 Ländern im Sortiment.

Welt am Sonntag: Haben Sie eine Art Teeversuchsküche?

Spethmann: Hier im Meßmer Momentum arbeiten auch unsere Tea-Taster. Hier sitzen wir sehr oft mit unseren Fachleuten, Lieferanten und dem Marketing zusammen und überlegen, was kann man Neues machen. Es kommen pro Jahr auch rund 150.000 Teetrinker zu uns. Auch diese geben uns gute Hinweise.

Welt am Sonntag: Wann haben Sie Ihren letzten Coffee to go getrunken?

Spethmann: Meinen letzten Kaffee überhaupt habe ich vor 15 Jahren oder länger getrunken. Mir wird gelegentlich unterstellt, ich würde aus Dogmatismus Tee trinken. Tatsächlich habe ich bis zu dem Zeitpunkt immer Kaffee getrunken, weil es den gab, und nicht, weil er mir geschmeckt hat. Ich habe aber nichts gegen Kaffee.

Welt am Sonntag: Sie sehen sportlich aus. Was machen Sie?

Spethmann: Ich laufe seit Jahren Marathon, die volle Distanz, 42,195 Kilometer. Einmal im Jahr, inzwischen über 16 Mal. Ich bin in New York, in Wien, London, Köln, Berlin und oft in Hamburg gelaufen.

Welt am Sonntag: Wie und wann trainieren Sie?

Spethmann: In der Regel morgens und am Wochenende. Meistens ab 5.30 Uhr an der Alster, am Alsterwanderweg und an der Elbe. Seit zwei Jahren habe ich mit Triathlon angefangen.

Welt am Sonntag: Triathlon, wie alt sind Sie denn?

Spethmann: Ich bin 56 Jahre alt.

Welt am Sonntag: Welche Disziplin fällt Ihnen am leichtesten, Schwimmen, Laufen oder Radfahren?

Spethmann: Natürlich das Laufen, weil ich ja vom Marathon komme. Aber ich habe das Schwimmen und Radfahren schätzen gelernt, weil es eine tolle Abwechslung ist. Wenn man drei Stunden Rad fährt, dann ist man 80 Kilometer gefahren und sieht viel mehr als beim Laufen.

Welt am Sonntag: Und was machen Sie, wenn Sie auf Reisen sind?

Spethmann: Ich habe immer meine Laufschuhe und Schwimmsachen dabei.

Welt am Sonntag: Welchen Platz haben Sie beim letzten Triathlon belegt?

Spethmann: Ich war die Nummer 27 in meiner Altersgruppe von 120 Teilnehmern.

Welt am Sonntag: Was sagt Ihre Frau dazu?

Spethmann: Meine Frau macht sich schon Sorgen, wenn ich das mal nicht mehr machen kann. Sie fragt sich schon jetzt, was sie dann mit mir machen soll.

Jochen Spethmann wurde am 8. Dezember 1957 in Köln geboren. Nach dem Umzug nach Hamburg begann er eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei Töpfer International. Danach ging er für fünf Jahre nach London und Amerika. 1985 kehrte er nach Deutschland zurück. Seit 1992 ist Spethmann Gesellschafter und seit 1999 Vorstandsvorsitzender des familieneigenen Unternehmens Laurens Spethmann Holding. Er bekleidet viele Ehrenämter und ist Vorsitzender des Deutschen Teeverbandes und des European Tea Committee. Der Familienvater ist begeisterter Hockeyspieler, Marathonläufer und Triathlet.

Norbert Vojta ist Journalist und Honorarprofessor an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg

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