Gross war der Aufschrei, als das Schweizer Parlament 2012 beschloss, die Gratis-Raschelsäckli aus den Läden zu verbannen. Nach einigem Hin und Her einigte sich die Branche auf einen Kompromiss, seither kosten die Wegwerfsäckli bei Migros und Coop 5 Rappen pro Stück. Und der Effekt lässt sich sehen: Der Verbrauch ging um über 80 Prozent zurück.
Nun geht der Discounter Aldi noch einen Schritt weiter – zumindest in Deutschland. Ab Herbst sollen «alle heute im Kassenbereich erhältlichen gängigen Einwegtüten» aus den Filialen verschwinden, wie das Unternehmen gestern mitteilte. Das heisst: Nicht nur mit «umweltbelastenden Plastik-Wegwerftüten» ist Schluss – den Kunden werden auch bewusst keine Alternativen aus Papier angeboten.
Die Herstellung von Papiertaschen brauche viel Energie und Wasser, zudem sei ihre Haltbarkeit vergleichsweise gering, schreibt Aldi. Darum können die Kunden in Deutschland künftig nur noch Mehrwegtaschen beziehen, die zu mindestens 80 Prozent aus Recycling-Material bestehen und mit dem Label «Blauer Engel» versehen sind.
In der Schweiz geht der Discounter zaghafter vor: Zwar sind die herkömmlichen Plastiksäcke schon Anfang Jahr von den Kassen verschwunden. Eine Abschaffung der Papiersäcke ist derzeit aber nicht angedacht, wie Philippe Vetterli, Sprecher von Aldi Suisse, zu watson sagt. Sie sind weiterhin für 25 Rappen pro Stück erhältlich. Daneben werden auch «wiederbenutzbare Permanenttragetaschen» (1,49 Fr. pro Stück) und Taschen aus dem stabilen Kunststoff Polypropylen (0,99 Fr.) angeboten.
Auch bei Migros, Coop und Lidl will man sich aktuell nicht von den Papiersäcken verabschieden, wie es auf Anfrage heisst. Die Papiertaschen von Coop bestünden «zu 100 Prozent aus rezykliertem Papier» und seien auch selber rezyklierbar, sagt Sprecher Ramón Gander. «Wir prüfen laufend innovative Lösungen. Wichtig ist allerdings, dass diese einen wirklichen ökologischen Mehrwert bieten und dem Kundenbedürfnis Rechnung tragen.»
In Deutschland fallen die Reaktionen auf das Vorpreschen von Aldi denn auch durchzogen aus. Während Umweltorganisationen jubeln, fühlt sich ein Redaktor der «Welt» in die DDR-Zeiten zurückversetzt, wie er in einem Meinungsartikel schreibt. «Dort verliessen die Menschen nie ohne einen Beutel oder eine grosse Tasche das Haus. Schliesslich konnte es unterwegs plötzlich irgendwo Bananen oder ähnlich seltene Güter geben.»
Zudem kritisiert der Journalist, dass es sich vielmehr um eine Symbolhandlung als um echten Umweltschutz handle. Würden Mehrweg-Tragetaschen nur einmal verwendet, sei die Öko-Bilanz unter dem Strich schlechter als bei einer normalen Plastiktüte, vermutet er.
Dem Fakten-Check hält dieses Argument allerdings nicht stand. Eine Studie der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA kam 2014 zum Schluss, dass Recycling-Mehrwegtaschen mit dem Label «Blauer Engel» eine bessere Ökobilanz aufweisen als alle anderen getesteten Taschen.
«Herkömmliche Plastiksäcke, aber auch Papier- und Baumwolltaschen belasten die Umwelt im Vergleich stärker», bekräftigt Studienautor Roland Hischier gegenüber watson. Das gelte sowohl für den einmaligen Gebrauch als auch für die mehrmalige Verwendung. «Weil die Tasche schon aus Abfall produziert wurde, fällt die Belastung unter dem Strich geringer aus.» Benutze der Konsument die Tasche dann noch mehrmals, sei er ohnehin «auf der sauberen Seite».
Hischier ging in der Studie davon aus, dass alle Tragetaschen nach Gebrauch in der Kehrichtverbrennung entsorgt werden. Ob die Bilanz der Papiersäcke besser ausgesehen hätte, wenn sie für eine Entsorgung im Altpapier oder Altkarton berechnet worden wäre, kann der Forscher nicht sagen.
In der Auseinandersetzung um einen neuen Gesamtarbeitsvertrag haben die Swiss-Piloten ein aufgebessertes Angebot der Fluggesellschaft abgelehnt. Die Piloten halten das Angebot für ungenügend. Nun drohen sie mit Streik.